100 Jahre griffelkunst Hamburg

Interview mit Stephanie Bunk, Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V., verantwortlich für Editionen, Ausstellungen, Redaktion

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Frau Bunk, einhundert Jahre griffelkunst in Hamburg! HERZLICHEN Glückwunsch! Was verbindet sich für Sie mit diesem großen Jubiläum? 

Vielen Dank für die Glückwünsche, liebe Frau Bomhoff! Ich bin wie alle hier im Team der griffelkunst ein bisschen stolz, dass wir das geschafft haben. Im Moment feiern viele Institutionen ihren 100. Geburtstag. 1925 muss ein tolles Jahr gewesen sein, in dem viele gute Ideen eine Form gefunden haben, die bis heute trägt. Die Idee der griffelkunst, den Zugang zur Kunst und den Aufbau einer eigenen Sammlung für viele zu ermöglichen, zählt dazu und begeistert bis heute. Wir feiern schon das ganze Jahr, aber im Herbst erreichen die Feierlichkeiten einen Höhepunkt. Es erscheint ein Buch zu 100 Jahren griffelkunst, wir präsentieren unsere Jubiläumswahl deutschlandweit und verschiedene Museen eröffnen Ausstellungen aus diesem Anlass, zum Beispiel die Hamburger Kunsthalle. Dort wird die Edition von Madame d’Ora zu sehen sein, die wir gemeinsam mit Ihnen entwickelt haben.

Aus diesem Anlass erscheint im Herbst 2025 auch eine griffelkunst Jubiläumsedition, exklusiv mit Bildmotiven aus der fotografischen Sammlung Ullstein in Berlin. Welche Grundgedanken bestimmen diese Edition Klassiker der Photographie?

Wir haben die sechs Motive unter dem Titel „Aufbruch in eine neue Zeit“ zusammengefasst, denn eine Zeit des Neubeginns war das Jahrzehnt, in dem die griffelkunst gegründet wurde, in vielerlei Hinsicht. Am offensichtlichsten wird dies am Beispiel des technischen Fortschritts. Die von Walter Gircke in hoher Geschwindigkeit festgehaltenen Rennwagen wirken heute nostalgisch. Damals auf der gerade erst fertig gebauten AVUS in Berlin waren sie eine große Attraktion. Auf dem Foto eines Zeppelins über dem Hamburger Hafen ist nicht nur das Luftschiff beeindruckend, sondern auch, dass der Fotograf Willi Ruge dafür selbst ein Flugzeug bestiegen hat. Doch auch im Bereich Kunst und Kultur war in den 1920er-Jahre Aufbruchstimmung. Das gilt besonders für Frauen, wie die Fotografin Frieda G. Riess, die mit einem wunderschönen Selbstporträt in der Serie vertreten ist. Sie war eine der ersten selbstständigen Unternehmerinnen und in ihrem Atelier auf dem Kurfürstendamm trafen sich prominente Persönlichkeiten der Weimarer Republik. Besonders schön verkörpert das Lebensgefühl der Zeit eine Aufnahme, die aus dem Studio d’Ora-Benda in Wien stammt. Es zeigt einen Luftsprung von zwei bekannten Wiener Tänzerinnen, die gemeinsam eine Tanzschule eröffnet haben. Das Motiv haben wir auch für das Cover der Jubiläumsausgabe unseres Magazins ausgewählt, denn gerade heute braucht es wieder Hoffnung, um mutig in die nächsten 100 Jahre zu springen!

Wir werfen einen Blick zurück in das letzte Jahr. In Zusammenarbeit mit ullstein bild collection entstand die Edition zu Madame d’Ora, Zeitschriftenphotographie von 1917-1929. Sogar in Ihrem Engagement griffelkunst macht Schule hinterlässt die großartige Ullstein-Bildautorin ihre Spuren und animiert eine junge Zeichnerin. Auf welche Reaktionen trafen die Fotografien der Künstlerin, welchen Nachhall fanden sie bei Ihrem Publikum, das sich regelmäßig für die Wahlausstellungen in rund 90 verschiedenen Städten deutschlandweit zusammenfindet?

Die Edition von Madame d’Ora ist sehr positiv aufgenommen worden! Der Schwerpunkt der griffelkunst liegt eindeutig auf Positionen der Gegenwartskunst. Nur einmal im Jahr edieren wir eine Mappe in unserer Serie „Klassiker der Photographie“ aus fotografischen Nachlässen. Dafür ist diese umso beliebter. Das liegt an der besonderen Qualität der ausgewählten Fotografinnen und Fotografen und ihrer Werke. Wir haben ausgesprochene Sammlerinnen und Sammler, die jedes Mappenwerk erwerben. Aber es geht von den historischen Schwarzweiß-Fotografien eine Magie und eine erzählerische Kraft aus, von der sich unsere Mitglieder gerne gefangen nehmen lassen. Sogar Schülerinnen und Schüler erreichen die historischen Bilder durch unser Engagement im Bereich Kunstpädagogik. Und das gilt besonders im Fall von Madame d’Ora, So ist zum Beispiel die Studioaufnahme von Josephine Baker Ausdruck des Könnens von Madame d’Ora, gleichzeitig erzählt sie viel über die Zeit, in der sie gemacht und veröffentlicht wurde. Und sie zeigt eine der schillerndsten, beeindruckendsten Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts.

Zur Herstellung der Editionen arbeiten Sie zusammen mit recom ART in Berlin, eine sehr bewährte Liaison.

Die Bearbeitung der Originalfotografien ist Vertrauenssache. Ihr Charakter soll erhalten bleiben, gleichzeitig gibt es heute weder die gleiche Chemie noch das Papier, dafür hat man ganz andere technische Möglichkeiten. Bei recom ART werden die Originale eingescannt und digital bearbeitet, um anschließend auf Baryt-Fotopapier ausbelichtet zu werden.

Ist im Programm der griffelkunst – neben zeitgenössischen Künstlerinnen wie Katharina Sieverding, Anna Haifisch, Charlotte Bonjour oder Jitka Hanzlová – weiterhin mit photographischen Editionen aus unterschiedlichen Epochen zu rechnen?

Auf alle Fälle! Neben den Klassikern der Photographie, in der wir vor allem Photographien aus der Zeit bis etwa 1950 präsentieren, verlegen wir auch Editionen von „modernen“ Klassikern, also Fotografinnen und Fotografen, die in die Fotogeschichte der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eingegangen sind. Und natürlich zeigen wir auch ganz aktuelle fotografische Positionen. Da bemühen wir uns, am Puls der Zeit zu sein. Da Sie ausschließlich Künstlerinnen als Beispiele nennen, möchte ich noch erwähnen, dass früher die Liste der Klassiker der Photographie vor allem Namen von berühmten Fotografen verzeichnete. Das hat sich in den letzten Jahren angeglichen, denn es gibt großartige Fotografinnen zu entdecken, wie zuletzt Madame d‘ Ora oder ganz aktuell Frieda G. Riess.

 

Vielen Dank, Frau Bunk, für dieses Gespräch!

Fragen: Dr. Katrin Bomhoff, ullstein bild collection

Erstveröffentlichung am 15. Oktober 2025.

In der Galerie sehen Sie eine Auswahl von Originalfotografien aus der ullstein bild collection.

Das Fotodossier zum Thema 1925: Die Welt vor Einhundert Jahren finden Sie bei ullstein bild.

Kontakt

Dr. Katrin
Bomhoff
Senior Manager Asset & Exhibition
+49 30 2591 73164
Stephanie
Bunk
Griffelkunst-Vereinigung Hamburg e.V. | Editionen, Ausstellungen, Redaktion